MONO DUAL

Als der 46-jährige George Perry Floyd durch eine gewaltsame Festname getötet wurde, sorgte ein Video vom Vorfall für weltweites Aufsehen. Auf großflächige Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den Vereinigten Staaten sowie anderen Teilen der Welt, folgte Plünderung, bei den es zu mehreren Todesopfern kam. 

Leben wir im Jahre 2020 in einer scheinheiligen gleichberechtigten Welt? Wie weltoffen ist das System in dem wir leben wirklich? Bin ich ein Teil davon – und sehe ich öfter weg, als es mir lieb ist? 

Die Welt ist in Aufruhr. Viele sind empört, andere wiederum gleichgültig. Einige realisieren, mit wie viel rassistischen Gegebenheiten wir tatsächlich tagtäglich konfrontiert sind. Ist es nicht traurig, wenn wir in einer globalisierten Welt leben, zugunsten vom Wirtschaftswachstum zusammenwachsen können, aber dennoch immer wieder Grenzen ziehen, die vielleicht auf eine materialisierte und materialistische Wahrnehmung basieren? Was ist Gleichberechtigung wirklich – und wie gleichwertig sehen und handeln wir faktisch? Es ist einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen, aber wie sieht unser Spiegelbild aus?

Ich, Du, Er, Sie, Es,
Wir, Ihr, Sie

Durch unsere subjektive Wahrnehmung bewerten wir, indem wir werten. Ein dualistisches Weltbild, das dazu neigt zu klassifizieren. Beobachte deine Kindheit, deine Schulzeit, dein Familienleben, deinen Freundeskreis. Mit wem hast du dein Pausenbrot geteilt? In welcher „Gang“ warst du unterwegs? Hast du dich in der Raucherecke herumgetrieben, mit den coolen Kids abgehangen oder empfindest du die Vielzahl von deinem Umfeld auf Grundlage deiner Arroganz als Idioten? Mit wem singst du gemeinsam „NICHT OHNE MEIN TEAM!“ oder wen würdest du auf gar keinen Fall zu deinem Geburtstag einladen?

Grenzen werden gezogen wenn die Reichweite vom Mitgefühl endet. Sei es in unserem sozialen Umfeld oder das Mitgefühl zu anderen Lebewesen. Wenn wir wirklich erkennen, wie jedes Lebewesen nach der Glückseligkeit strebt und in seinem Leben mit leidvollen Zuständen zu kämpfen hat, wie wir es selber tun, können wir erst eine Gleichberechtigung gegenüber jedem Lebewesen einnehmen und unser Mitgefühl kultivieren. Bei einigen endet das Mitgefühl bereits bei ihnen selbst. Sie erzeugen einen Selbsthass, den sie auf ihr Umfeld projizieren. 

Andere wiederum ziehen ihre Grenze des Mitgefühls bei ihren Freunden, ihrer Familie, ihrem Liebespartner, vielleicht sogar noch gegenüber Fremden. Wir fühlen uns im Inner-Circle wohl – lachen, lieben, leiden und teilen gerne unsere Momente. Doch bei Menschen die wir als „Feinde“ betrachten, mit denen wir uns nicht identizifizieren können, sieht es schon ein wenig schwieriger aus. Diese Grenzen lassen keine ganzheitliche Gleichberechtigung zu. Bei der Meditationspraktik „METTA“, übt man sich im Auflösen dieser Grenzen. Mitgefühl ist nicht „limited“ und auch keine „limited edition“. Könnte diese Art von unbegrenztem Mitgefühl nicht heilend sein?

Kultivieren

Einst habe ich in der Servicestelle der Deutschen Bahn gearbeitet. Keine einfache Tätigkeit im operativen Bereich als Erstkontakt, sich um die Belange der Fahrgäste kümmern zu dürfen. Man hat einen enorm großen Kundenkontakt und kann vielen Menschen mit der Weitergabe von Informationen auf ihrer Reise behilflich sein. Doch wenn mal Unplanmäßigkeiten aufkommen, forciert sich der Frust auf die Repräsentanten des Unternehmens. Einige steigern sich hinein und entwickeln einen Hass gegenüber Menschen die wohlwollend ihrer Arbeit nachgehen. Blind vor Zorn fliegen Beleidigungen, es werden Gegenstände geschmissen oder im schlimmsten Falle werden sie handgreiflich. Wie kann man damit umgehen, wenn man bespuckt wird, mit Cola beworfen wird, Mordandrohungen erhält und dennoch als Hilfsbereite Person nur gutes tun möchte?

Wenn man tagtäglich mit solchen Situationen konfrontiert wird, kann es zur emotionalen Abstumpfung führen. Einige haben das Gefühl das „Vertrauen in die Menschlichkeit“ zu verlieren. Wie wird es für einen Polizisten sein, der die Berufswahl als „Freund und Helfer“ anstrebte und stetig mit einer wachsenden Respektlosigkeit konfrontiert wird? Auf beiden Seiten entsteht ein Feindbild und das Mitgefühl verstummt. Doch wie kann ich gegen die dunkle Seite der Macht ankämpfen?

Als mir die Metta-Meditation noch nicht bekannt war und ich recht wenig Ahnung von buddhistischen Lehren hatte, wendete ich einen kleine Trick an. Jedes mal wenn mir eine wütende ältere Dame gegenüberstand, stellte ich mir vor, sie wäre meine Mutter. So drehte ich meine Geisteshaltung im Handumdrehen. Meiner eigenen Mutter gegenüber zeige ich sehr viel Mitgefühl, man nimmt es leichter hin, wenn sie mal aus der Haut fährt. Andere Male stellte ich mir vor, der mit Fahrkarten umherwerfende Gast, wäre mein Onkel – Ach… der hat sicherlich wieder nur zu viel getrunken… und schmunzle. Eine junge Dame die handgreiflich wird, stelle ich mir als meine liebende Freundin vor – Man entgegnet jede Situation mit mehr Mitgefühl und Geduld. Jeder ist ein Sohn oder eine Tochter von jemanden. Nur weil wir diese persönliche Bindung zu der Person nicht haben, tauchen die Grenzen des Mitgefühls auf und stellen sich wie eine Mauer vor uns, wo sich Missverständnisse, Gleichgültigkeit, Intolleranz, Hass und Zorn ansammelt. Wir sollten uns darin üben gewaltlose Gedanken, Rede und Tat zur Konfliktbewältigung durch Verständnis zu kultivieren. 

Also: Einfach nicht ausflippen, wenn dein überfüllter Zug des Lebens auf dem Weg zum nächsten Halt aus betrieblichen Gründen, sich nicht wie erwartet, planmäßig verhält. Senk ju vor träwelling.

Kalkül

Shakyamuni lebte vor 2.500 Jahren in einer Gesellschaft des Kastensystems mit großer Ungerechtigkeit und viel Gewalt. Er selbst lebte als Prinz von diesen Vorteilen und stellte sich auf seinem Weg zur Erleuchtung der Ungerechtigkeit. Er stellte das ganze uralte Kastensystem auf den Kopf und öffnete die Lehren für Menschen aller Gesellschaftsschichten. Wenn wir das Geflecht aus gegenseitiger Verbundenheit erkennen, können wir dem mit Weisheit und Mitgefühl begegnen. Wir werden einer Welt näher kommen, in der das eine Leben nicht über das andere Leben geschätzt wird.

Rassistische Sichtweisen sind eine verblendete Form von Hass, die in Zusammenhang mit Gier auf eine profilierende, kapitalistische Gesellschaft steuern.

Wie äußern sich Religiöse Gemeinden , Kirchen, Synagogen, Pastoren, Rabbiner, Pfarrer, Yoga-Zentren, Ashrams, spirituell-nicht-religiöse Meditationsleiter, Tempel, Dharma-Zentren, Mönche, Nonnen, dessen Kernstudium sich mit dem Mitgefühl befasst, über das Leben anders Aussehender oder anders Denkender? Wie nimmst du oder dein Umfeld Stellung zu dieser Thematik?

Und wenn nichts geäußert wird, dann ist das auch eine Aussage.

Wo ist die Neutralität, wenn sie nicht gelebt wird? Ein Blatt Papier nimmt keine Stellung, egal was darauf geschrieben wird, oder ob die Worte voller Weisheit sich in unserem Kopf befinden. Veränderung entsteht mit einem Herz voller Mitgefühl, Ohren die bereit sind zuzuhören und Hände die bereit sind zu Helfen.

Kategorien: Dharma

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