Ein Offener Ansatz

Kennst du das auch? Dein Leben lang ist etwas da, genau vor deinen Augen, in deinem Alltag und dennoch übersiehst du es gekonnt. Es wäre ein Missverständnis zu glauben, diese Äußerung beziehe sich auf irgendeinen einschneidenden Moment der Erkenntnis über größere universelle Zusammenhänge. Stattdessen ist es eine viel persönlichere Geschichte und bezieht sich darauf, wie ich mein Interesse für den Buddhismus wiedergefunden habe, eben auch ohne jegliche Gewissheit darüber was er „wirklich wirklich“ ist. 

Das Phänomen etwas abzulehnen, weil es jemand anderes ein bisschen zu vehement und passioniert vorgeschlagen hat, dürfte jedem schon Mal begegnet sein. Du verlierst jegliche Lust, dich mit der Sache auseinanderzusetzen, und je größer der Enthusiasmus des Gegenübers, desto resoluter auch dein Widerstand. So in etwa würde ich meine kindliche Beziehung zum Thema Religiosität und dem Buddhismus beschreiben. Als Kind war es zunächst nur das ‚Angstmachen‘ durch Anekdoten über die vermeintliche Hölle und verschiedene Arten von ‚Bestrafungen‘, die quasi formgerecht auf eine zugehörige schlechte Tat zugeschnitten sind. Später bezog sich das Unverständnis auf die Rechtfertigung individueller oder sozialer Missstände durch eine undifferenzierte Darstellung von karmischen Beziehungsketten.

Das Problematischste an der ganzen Sache ist weniger, dass man sich partout nicht auf die Sache einlassen wollte. Auf der Liste aller „abgeschriebenen“ Dinge, lassen sich negative Eindrücke und berechtigte, aber vielleicht auch voreilig gezogene Kritik selten wieder abbauen. Solche Entwicklungen sind natürlich nicht unumkehrbar. Dennoch könnten Erfahrungen dieser Art dich für das jeweilige Thema bis aufs Weitere unempfänglich machen, da du dich mehr oder weniger bewusst von der Sache distanzierst. Allein aus persönlichem Antrieb heraus ist es unwahrscheinlich, dass du das Fallen-Gelassene wieder aufnimmst.

Zum Glück verändert sich das soziale Umfeld einer Person selten und unwiderruflich um 180 Grad. Mein ‚zweiter Anlauf‘ war inspiriert von mehr oder weniger ähnlich sozialisierten Menschen, aber dieses Mal mit einem viel sanfteren Zugang und der Zuversicht, dass ich allein und basierend auf meinen eigenen Erfahrungen zwischen Dogma und Erkenntnis unterscheide. Dies führte dazu Befangenheiten nochmal zu bewerten und zu revidieren. Auf den Punkt gebracht: Die Art und Weise des Zugangs und der Vermittlung können ganze Welten verschließen und aber auch eröffnen. 

Eine der ersten Lektüren, die ich gelesen habe, nachdem mein Interesse für den Buddhismus wieder- bzw. zum ersten Mal als solches überhaupt entdeckt wurde, ist ‚Approaching The Buddhist Path‘ vom Dalai Lama und Bhiksuni Thubten Chodron. Offensichtlich gerichtet an den Beginner oder Laien auf der Suche nach einem grundlegenden Verständnis, um dieses als potentiellen Startpunkt vertiefter Recherche zu nehmen, faszinierte mich vor allem der folgende Grundsatz:

 „The Buddha taught from his own experience, and we are free to accept or 
reject his teachings, using valid reason as well as our own experience as criteria.“(The Fourteenth Dalai Lama and Bhiksuni Thubten Chodron 2017: 4)

pic by dalena_darling

Jede Person, die jetzt verwirrt von meiner überschwänglichen Begeisterung für diesen elementaren Leitsatz ist, versteht vielleicht spätestens an dieser Stelle, warum ich die Art und Weise der Vermittlung als so wichtig empfinde. Hätte man mir als Kind und Heranwachsenden bei all den obligatorischen Tempelbesuchen gesagt, dass es meine Erfahrungen sind, die zählen, dass die Lehren nicht unvereinbar mit der Wissenschaft sind und vor allem, dass es nicht um ein Ich-bezogenes Karma-System geht, das strukturellen Problemen und gesellschaftlichem Leiden keine Abhilfe schafft, hätte ich dem Ganzen nicht so früh den Rücken gekehrt. 

Dieses Prinzip der Offenheit ist für mich der einzige Weg, Spiritualität und Religion im 21. Jahrhundert überhaupt noch zugänglich zu machen. Zumindest ist dies MEINE PERSÖNLICHE Schlussfolgerung. Was sich FÜR MICH bewährt hat, und hiermit schließt sich der Kreis bzgl. des Phänomens der Ablehnung, ist also eine möglichst dynamische und offene Darstellung, die zur Eigeninitiative motiviert und Diskussionsräume erlaubt. Wie erwähnt, wertschätze ich Projekte und Publikationen, die diese Natur bzw. Seite und Stärke des Buddhismus zum Ausdruck bringen.  

Daher habe ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut, die Indie-Doku ‘Das Porträt eines Vogels’ zu unterstützen. Die Arbeit mit dem Material (war der Beitrag doch so gering) hat mich dazu angehalten, mich mit verschiedenen Inhalten wiederholt und eingängiger auseinanderzusetzen. 

Bin ich, um ehrlich zu sein, jemand, der plakative Sprüche und Zitate à la ‘live – love – laugh’ oft kitschig oder sogar zu einem toxischen Grad vereinfacht findet (und der ‘instagram-Buddhismus’ hat manchmal ähnliche vibes*), konnte ich mich auf die in der Doku verwendeten Gedichte immer mehr einlassen, über das ‘Gereimte’ hinweghören und auf den Inhalt achten. Auch das Verfassen dieses Eintrags hat mir dabei geholfen vieles zu reflektieren und in Worte zu fassen.

Unterm Strich ist dies der Ansatz, der für mich funktioniert. Auch wenn es nichts show-stopping Innovatives ist, würde ich gerne teilen, dass es durchaus möglich ist in der comfort-zone zu beginnen und kleine, selbstständige Schritte in Richtung etwas Größerem zu machen, das sich ohnehin nicht per Abkürzung erschließen lässt. 

Natürlich gibt es hier noch vieles über die verschiedenen Nuancen einer jeden Wahrnehmung und deren Prägungen zu erzählen, über die verschiedenen ‚Zweige‘ des Buddhismus, über national-kulturelle Einflüsse, über unterschiedliche ‚Zielgruppen‘ an die der Buddha seine Lehren richtete. Dieser kurze Text dient nur als kleiner Aufhänger für diejenigen, die gerade anfangen, aber hoffentlich länger reisen. Dabei sollen sie wissen: Jeder Mensch praktiziert basierend auf seiner eigenen Wahrnehmung und in seinem eigenen Tempo.


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