Buddhismus & Wissenschaft

Allgemein gilt die Meinung vieler, dass Wissenschaft und Religion nicht miteinander vereinbar sind. Wissenschaft sei rational durch Untersuchungen, Analysieren und logische Folgerungen. Religion dagegen sei irrational, doktrinär, mystisch, esoterisch, spirituell, etc.

Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, ist der Meinung, dass Buddhismus und Wissenschaft nicht zwei einander entgegenstehende Sichtweisen auf die Welt sind, sondern eher unterschiedliche Annäherungen an dasselbe Ziel, die Wahrheit zu finden.
Als der Buddhismus nach Westen kam, traf und agierte er mit westlichen Kulturen und Religionen. In den modernen, westlichen Kulturen spielte die Wissenschaft bislang eine dominante Rolle. Der Buddhismus war “kultur-kompatibel” und anpassungsfähig, sodass er sich die Sichtweisen der westlichen Gedanken aneignen konnte.

Die Wissenschaft, 

lateinisch scientia, bedeutet Wissen, Vorwissen, Genehmigung, und bezeichnet die Gesamtheit des menschlichen Wissens, der Erkenntnisse und der Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch erweitert, gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird.

Die Wissenschaft umfasst zwei große Bereiche: Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften.
Zu den ersteren gehören alle Disziplinen, die mit der wahrnehmbaren Welt zu tun haben: Chemie, Physik, Biologie, Geowissenschaften, Astronomie, Meteorologie, Pharmazie, etc.
Zu den zweiten gehören alle Disziplinen an, die mit Mensch, Menschheit und Gesellschaft zu tun haben: Soziologie, Politologie, Psychologie, Sprachwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Rechtswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Philosophie, Religionswissenschaft, Kunst, etc.

Ein Blick auf die Arbeitsmethoden der Wissenschaft, stellt man fest, dass die Wissenschaft primär auf dem zu untersuchenden Objekt fokussiert; sie untersucht nicht die subjektive Wahrnehmung (Geist) vom Untersuchenden und seine Umgebung. Sie versucht, das zu untersuchende Objekt in ihren Bestandteilen zu zerlegen, um es zu analysieren. Dadurch wird nur eine materialistische Sichtweise untersucht, welche nur ein Gesamtüberblick bzw. eine Gesamtbetrachtung des Objekts darstellt. Es ist so, als wenn man bei der Gehirnforschung, nur die Zellen und Molekülen untersuchen würde, und nicht auch andere geistige, mentale Bereiche. Die Wissenschaft basiert auf die Materie und die objektive Welt als die Realität und Logik aller Dinge. Sie schließt kategorisch die subjektive Erfahrung und alle nicht-physikalischen Kausalitäten aus. Unerklärbare Phänomene und Ereignissen (esoterisch/spirituell) werden nicht in Betracht gezogen.

Der Buddhismus 

entstand in Indien durch den historischen Gautama Buddha, der selbst aus Praxiserfahrungen und Meditation, die wahre Eigenschaft aller Dinge (Dharmas) erkannt hat und sich von allen leidvollen Anhaftungen befreien konnte. Im buddhistischen Abhidharma, einer der höchsten, heiligen Lehre, wird der Geist und sein Wahrnehmungsprozess beschrieben. Einige dieser Belehrungen wurden von der Wissenschaft, insbesondere die Hirnforschung (Neuroplastizität), untersucht und sind bestätigt worden, d.h., es gibt wissenschaftliche Erklärungen zu den Wirkungen der Meditation. Demnach kann sich das Gehirn verändern, und zwar nicht nur in den jungen Jahren, sondern auch zu jedem Zeitpunkt im späteren Leben. Wissenschaftlich gesehen, können also neue Verbindungen von Neuronen entstehen, und bereits existierende Verbindungen verstärkt werden. Die funktionellen und strukturellen Veränderungen im Gehirn können theoretisch die Persönlichkeit eines Menschen verändern.

Lojong, eine Lehre der Geistesschulung des Mahayana Buddhismus lehrt die Praxis, womit man negative, egoistische Gedanken und Gefühle in positiven und altruistischen Gedanken und Gefühle umwandeln kann. Somit sind Geist, Gedanken, Gefühle, Gewohnheiten nicht statisch und dauerhaft, sondern sie entstehen durch viele Faktoren und Bedingungen und unterliegen dem Prozess der Veränderung. Durch die Praxis werden neue neuronale Verbindungen des Gehirns erzeugt, die vorher nicht existierten.
Lamrim (stufenweiser Weg zur Erleuchtung) wird von vielen buddhistischen Traditionen gelehrt, welches von den Praktizierenden zu Anfang ihrer Praxis große Anstrengung und harte Disziplin verlangt. Einige der Meditationspraktiken sind: Shamatha (Sankrit) oder Samatha (Pali), welche als „ruhiges, friedvolles Verweilen“ übersetzt wird, Vipassana (Einsicht), Metta (Mitgefühl).


In Anbetracht des Buddhismus und der Wissenschaft schrieb Albert Einstein: „Die Religion der Zukunft wird eine kosmische sein. Sie sollte einen persönlichen Gott transzendieren und Dogma und Theologie vermeiden. Indem sie sowohl das Natürliche als auch das Spirituelle umfasst, sollte sie auf einem religiösen Sinn beruhen, der aus der Erfahrung aller natürlichen und spirituellen Dinge als tiefer Einheit erwächst. Der Buddhismus entspricht diesen Maßstäben. Wenn es irgendeine Religion gibt, die den Ansprüchen moderner Wissenschaft gewachsen ist, heißt sie Buddhismus.”

Die Wissenschaft versucht zu erklären, was alles in der Welt passiert und vor allem wie es geschieht. Sie möchte neue Erkenntnisse gewinnen, eine gewisse Logik in allen Dingen einbringen. Ihre Methoden und Erkenntnissen basieren auf der Grundlage einer materialisierten Sichtweise; sie kann aber trotz der hiesigen technischen Möglichkeiten und Fortschritten nicht auf den ‘Geist’-Faktor eingehen, also buddhistisch betrachtet Körper und Geist, was ein fühlendes Lebewesen ausmacht.
Jemand, der Interesse am Buddhismus hat und sich spirituell bereichert, will sicherlich auch erfahren, wie die Natur der Dinge funktioniert und vor allem, wie er von existierenden leidvollen Gefühlen und Anhaftungen befreien und glücklich sein kann. Das Ziel der Wissenschaft, als auch des Buddhismus, ist also identisch, nämlich, die Wahrheit herauszufinden, um das Leben und das Umfeld so zu gestalten, dass es alle glücklich macht.

Im Unterschied zu anderen Glaubensreligionen ist der Buddhismus eine Erfahrungsreligion, d.h. es muss erfahren und erlebt werden. Dabei sollte man die buddhistische Lehre auch hinterfragen und überprüfen können. Der Buddhismus, ebenso auch die Wissenschaft, beanspruchen also nur einen Teil des allumfassenden Wissens, welches ausgebaut, weiterentwickelt und verändert werden kann. Der buddhistischen Lehre nach existieren die Dinge, das Dharma, die Phänomene, nicht in sich, sondern in Abhängigkeit voneinander. Sie haben keine eigene Substanz und wirken immer nur wechselseitig von Masse und Energie. Die buddhistische Lehre und die dazugehörige Praxis helfen den Menschen, ihr Leiden und die wahre Natur des Geistes zu verstehen und dadurch sich von ihrem anhaftenden, Schein-Ich zu befreien. Die Meditationstechniken ermöglichen den Praktizierenden, seinen Geist selbst zu beobachten und ihn wirklich kennenzulernen.

Für die Menschen im Westen, die sich auf dem Weg nach neuer spirituellen Sinnorientierung begeben, ist der Buddhismus eine moderne Religion, die sich intensiv zur Gegenwart hinwendet. Das moralisches Prinzip im Buddhismus beruht darauf, dass man alles vermeiden sollte, was nur kurzfristig von Vorteil aber langfristig von Nachteil ist. Im Gegensatz dazu sollte man alles kultivieren, was kurzfristig und langfristig für einen selbst und anderen von Vorteil ist.

Persönliches ziehe ich daraus ein Fazit, dass es nicht entscheidend ist, ob die Wissenschaft oder der Buddhismus ihre absolute Wahrheit vertritt, sondern jeder einzelne von uns, wie er oder sie zu dieser Wahrheit gelangt, um glücklich zu werden. Diejenigen, die nach der Wahrheit suchen und streben, sollten alle Türen offenhalten, denn der Geist ist frei und hat keine Grenzen.
Wichtig ist aber, dass die Wissenschaft und Menschheit sich in Zukunft, vor allem nach der Corona-Phase, die tiefe Bedeutung der Spiritualität wiederentdecken und das Mitgefühl zu der Natur und Umwelt, sowie zu den Tieren wiederfinden sollten.

Kategorien: Dharma

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